Seattle. Gutes hatten wir von der Stadt gehört. Sie sei sehr liberal, gutaussehend und intelligent (wegen der vielen Tech-Unternehmen). Außerdem wird dort, das wissen wir mit Sicherheit, vorzügliches Ultimate gespielt. Per Fähre von Vancouver Island aus setzten wir in die Staaten über. Die ersten Örtchen begegneten uns noch freundlich und ruhig. Wir sahen Rehe am Straßenrand grasen. Doch dann beginnt das Ungetüm, der weitläufig ausgewalzte Siedlungsbrei von Seattle. Und wir dachten, die Autobahn in Vancouver war anstrengend.
Mitten durch die Stadt zieht sich die Interstate 5, ein Monster von Autobahn. Fünf Fahrspuren pro Richtung sind nicht ungewöhnlich. Auf ihnen schiebt sich zähflüssig ein nicht enden wollender Strom von Autos. Die Amerikaner erleben dieses Chaos täglich und wechseln entsprechend knapp und waghalsig die Spuren. Überholt werden darf von rechts und links. Für uns ist es eine einschüchternde Erfahrung. Unzählige Aus- und Einfahrten winden sich wie Krakenarme auf die Hauptarterie. Ortsfremde sehen nur ein undurchsichtiges Wirrwarr. Selbst mit Navi verfahren wir uns immer wieder.
Sicher, wir hatten auch schöne Momente in der Stadt. Durch das schnuckelige Viertel Capitol Hill zu spazieren macht Spass. Doch spätestens nach ein paar Blocks steht man wieder einer dieser riesigen Asphalt-Arterien gegenüber. Am Beispiel Seattle sieht man gut, in welche absurden Extreme das Leitbild der autogerechten Stadt getrieben werden kann. Seattle mag ihre Schokoladenseiten haben. Mir persönlich wird die Traffic Madness als prägende Erinnerung bleiben.