Ocean Treats

Costal Treats

Das nördliche Kalifornien finden wir entlang der Küste überraschend dünn besiedelt vor. Die Gegend ist nicht wirklich menschenleer, hier und da sitzen einzelne Häuser zwischen den Hügeln und Felshängen dieses wilden Küstenabschnitts. Aber gemessen an der Schönheit der Landschaft, hätten wir mehr Menschen erwartet. Vielleicht ist es der Winter, der hier ein Stück ungemütlicher sein muss als im ewig sommerlichen Südkalifornien. Der Frühling jedenfalls ist gut zu uns, frisch aber sehr sonnig.

Die kleinen Örtchen entlang des Highway 1 haben ihre ganz eigene Mischung von “Attraktionen”. Neben Geschäften für kitschige Mitbringsel stoßen wir oft auf gut laufende Videotheken. Videotheken! Gut laufend!! Als hätten Netflix und Co diese Gegend gleichermaßen übersehen, wie die meisten Menschen. Eine weitere Attraktion sind die kleinen Hütten, die mit geschickt platzierten Schildern Vorbeifahrende in Gäste verwandeln. Angeboten werden die vielen Köstlichkeiten des Ozeans, einfach und ehrlich zubereitet.  So sitzen wir da, bewundern die schlichte Schönheit dieses Landstrichs und verputzen dabei Crab, Shrimp, Cod und, wie im Bild zu sehen, Oyster.

Overnight Delight

Overnight Delight

Du hast dich sicher gefragt, wie unser Auto von der anderen Seite aussieht. Hier, bitteschön. Dieser Tage nächtigen wir oft direkt am Meer. Schön, dass das einfach so möglich ist. Man sucht sich eine kleine Abfahrt oder einen Aussichtspunkt mit einigen Parkplätzen. Ist es öffentliches Land und stehen keine Verbotsschilder, kann man dort relativ unbesorgt über Nacht parken. Ein kleines Abendbrot auf dem Gaskocher und dann bringt uns das Wellenrauschen ins Traumland. Von dort holt es uns morgens auch wieder ab. Zugegeben, ein anderes Rauschen, das der vorbeifahrenden Autos, hilft mitunter dabei.

The trunk of a redwood, our minivan for scale.

Mighty Trees

Es gab diesen einen Tag am Meer, an dem ich besonders viel gealtert bin. Nun, genau genommen wird jeder von uns jeden Tag etwas älter. Aber an diesem bestimmten Tag, erschien es mir, als wären es mehr als die 24 Stunden. Es fühlte sich eher so an, als würde ich einen äußerst schweren Rucksack schultern, beladen mit dem ganzen Gewicht des Erwachsenseins.

Da ich nun also ein ganzes Stück gealtert bin, entschieden wir uns, andere sehr alte Dinge anzusehen und fuhren in die Redwoods nach Kalifornien. In diesen Wäldern stehen die höchsten Bäume der Welt. Eine schmale Landstraße windet sich zwischen den Riesen hindurch. Man fährt mit aus dem Fenster gestreckten Kopf, um die schier endlosen Baumsäulen in ihrer vollen Länge zu sehen. Kurz darauf wird man sehr ehrfürchtig. Die Redwoods sind zwar nicht die dicksten Bäume, aber sie sind trotzdem ziemlich dick. Es stellte sich heraus, dass es nicht einfach ist, die Dimensionen der Bäume in ein Foto zu zwängen. Deswegen habe ich auf dem Bild einen Minivan dazugestellt, so als Maßstab.

Ein Art Aura von Erhabenheit umgibt diese stillen Giganten. Inmitten des, überraschend geräuschlosen, Waldes kam mir eine Einsicht. Ich stellte fest, eigentlich doch noch recht jung zu sein, stieg in das silberne Auto und fuhr lachend davon.

 

The Oregon Coast at Neahkahnie Mountain

National Nature

Nach Portland sind wir treu an die Küste zurückgekehrt. Es war fast so, als hätten wir uns an Meer und Wind so sehr gewöhnt, dass abseits der Küste ein unterschwelliges Gefühl der Unvollständigkeit entsteht. Die folgenden zwei Wochen tuckerten wir südwärts, die Wasserkante stets im Blick. Es war sehr schön. Wenn es keine Strände gibt, zeichnet Oregon seine Küste in steilen Felsen. Der  Neahkahnie Mountain auf dem Foto ist so eine Stelle. Wir hatten Glück und konnten von dort oben eine Mutter-Kind-Gruppe Wale erspähen.

Zu erzählen, wie wunderbar und großartig alles war, klemme ich mir diesmal. An Stelle dessen hier ein Gedanke: Auf unserer Reise entlang der Küste übernachteten wir meistens auf Campgrounds in den State Parks. Die kann man sich vorstellen wie staatlich geführte Campingplätze in Naturschutzgebieten. Für kleines Geld konnten wir stets in mitten, ja Du ahnst es bereits, wunderbarer und großartiger Natur bleiben. Dabei waren die Anlagen oft deutlich besser als ich es von deutschen Campings kenne. Ich habe den Eindruck, durch die Verknüpfung von Urlaub und Naturschutzgebiet entsteht bei den Amerikanern ein überraschend großes Maß an Verständnis für die Belange des Naturschutzes. Schon die Kinder können am Little Park Ranger-Programm teilnehmen und werden so von kleinauf zu Mini-Naturschützern.

Denke ich an Deutschland, so scheint mir, dass sich dort Naturschutz und Camping eher gegenüberstehen. Bei uns sind Naturschutzgebiete eher Orte, an denen man dieses oder jenes nicht tun darf. Vielleicht würden wir gut daran tun, in Deutschland Naturschutz(-gebiete) und Urlaub auch etwas näher zusammenzurücken.

On the streets in Portland

Portland does it well

Auf unserer Reise gibt es weniger Gelegenheiten mit Internet und Steckdose als erwartet. In Zukunft werden die Posts also kürzer und die Fotos weniger nachbearbeitet. Das macht aber nichts, denn Spannendes gibt es trotzdem zu berichten.

Erinnerst du dich, wie ich vor einigen Wochen schrieb, Vancouver sei ein bisschen zu ordentlich und könnte etwas wilder sein? Meet Portland. Die Straßen von Oregons Hauptstadt sind voller junger Menschen, die statt nach Wohlstand und Karriere eher nach Abenteuern suchen. Der Raum zwischen den Gebäuden ist lebendig und aufregend. Wir laufen über einen Flohmarkt, Bands geben Bordsteinkonzerte und richtig viele Menschen fahren Fahrrad. Echte Radfahrer! In einer amerikanischen Großstadt!! Die meisten der historischen Gebäude werden gut gepflegt. Kunstvoll gefertigte Leucht-Schilder im Stil vergangener Jahrzehnte kündigen Hipster-Shops und ausgezeichnete Restaurants an. Als ob dem Sahnehäubchen noch eine Kirsche aufgesetzt werden müsste, haben die Bürger dann auch noch Gras legalisiert.

The dunes of Nehalem Bay

OMG Oregon

Oregon. Wir sind in Oregon! Der Eine oder die Andere fragen sich jetzt vielleicht: “Wie Oregon? Eben waren sie noch in Kanada! Kommt dazwischen nicht noch etwas?” Wenn du dich etwas ähnliches auch gefragt hast, dann besitzt du sehr viel Schläue. Es stimmt, zwischen Kanada und Oregon liegt noch der Bundesstaat Washington. Aber der erschien uns einfach nicht so sehenswert. Diese Meinung ist vermutlich furchtbar ungerecht. Aber Seattle ist ein Verkehrsmonster und die Natur in Washington sieht genau so aus wie die um Vancouver herum. Außerdem regnete es in biblischen Ausmaßen als wir dort waren. Nach einem Winter in Vancouver ist unsere Regentoleranz nun wirklich aufgebraucht.

In einem solch fürchterlichen Regen fährt unser Minivan auch gern längere Strecken. So ließen wir den Evergreen State an nur einem Tag hinter uns. Eine schlechte Entscheidung war das nicht. Oregon ist wunderbar. Gleich der erste Ort, Astoria, empfing uns mit der Atmosphäre einer alten Hafenstadt im kreativen Aufbruch. Der örtliche Brauerei-Pub versteht sein Handwerk und ist obendrein höchst gemütlich. Glückselig denkt man: “Besser kann es nicht werden.” Dann fährt man Oregons Küste hinunter und stellt fest: “Doch das geht.”

Mir kam diese Einsicht in den Dünen von Nehalem Bay. Ich weiß nicht, wie es dazu kommt, doch Dünen begeistern mich auf ganz besondere Weise. Mehr noch, Dünen sind meine liebste Landschaft. Ich könnte sie den ganzen Tag durchstreifen. Rauf, runter, und rauf und runter. Immer zum nächsten “Gipfel” stapfen, aufgeregt wie ein kleines Kind. Oben im rauen Wind den Wellen zusehen. Wenn es zu kalt wird, legt man sich in eines der windstillen “Täler” und lässt sich von der Sonne aufwärmen. Ich glaube, Oregon und ich werden gute Freunde.

Dinner in Chilliwack

Chilliwack

Nach Seattle kehren wir unerwartet noch einmal nach Kanada zurück. Bürokratie und unsere Autoversicherung machen eine kurze Rückkehr erforderlich. Das Überraschende ist: Nachdem wir die Grenze überqueren, kommt ein Gefühl von Vertrautheit auf. Unsere fünf Monate in Vancouver machen uns wohl kaum zu Kanadiern. Auch um einen Ort zu einem Zuhause werden zu lassen, ist diese Zeitspanne vielleicht zu kurz. Dennoch, zurück in Kanada, fühlen wir uns sofort etwas wohler als südlich der Grenze. Auf der Straße geht es wieder gemäßigt zu. Die Menschen sind wieder durchweg freundlich und höflich. Alles läuft etwas entspannter und wir fühlen uns tatsächlich ein bisschen zu Hause.

Zwei Tage bleiben wir und bringen unsere Angelegenheiten in Ordnung. Statt in Vancouver zu nächtigen, entscheiden wir uns für einen Campground in Chilliwack. Der Ort mit dem kuriosen Namen ist so etwas wie der letzte Vorort Vancouvers. Hinter Chilliwack beginnt das ländliche British Columbia. Und das merkt man. Kaum zehn Schritte hinter unserem Camping-Slot fließt der Fraser River. Dort haben wir, das Ufer ganz für uns allein, unser letztes Dinner in Kanada. Es wirkt fast ein bisschen kitschig als in der Abendsonne Fischreiher und Wildgänse vorbeifliegen. Am nächsten Tag brechen wir wieder nach Süden auf, passieren abermals die Grenze und sind wieder unterwegs. Diesmal aber wirklich und so richtig.

Traffic Madness in Seattle

Traffic Madness

Seattle. Gutes hatten wir von der Stadt gehört. Sie sei sehr liberal, gutaussehend und intelligent (wegen der vielen Tech-Unternehmen). Außerdem wird dort, das wissen wir mit Sicherheit, vorzügliches Ultimate gespielt. Per Fähre von Vancouver Island aus setzten wir in die Staaten über. Die ersten Örtchen begegneten uns noch freundlich und ruhig. Wir sahen Rehe am Straßenrand grasen. Doch dann beginnt das Ungetüm, der weitläufig ausgewalzte Siedlungsbrei von Seattle. Und wir dachten, die Autobahn in Vancouver war anstrengend.

Mitten durch die Stadt zieht sich die Interstate 5, ein Monster von Autobahn. Fünf Fahrspuren pro Richtung sind nicht ungewöhnlich. Auf ihnen schiebt sich zähflüssig ein nicht enden wollender Strom von Autos. Die Amerikaner erleben dieses Chaos täglich und wechseln entsprechend knapp und waghalsig die Spuren. Überholt werden darf von rechts und links. Für uns ist es eine einschüchternde Erfahrung. Unzählige Aus- und Einfahrten winden sich wie Krakenarme auf die Hauptarterie. Ortsfremde sehen nur ein undurchsichtiges Wirrwarr. Selbst mit Navi verfahren wir uns immer wieder.

Sicher, wir hatten auch schöne Momente in der Stadt. Durch das schnuckelige Viertel Capitol Hill zu spazieren macht Spass. Doch spätestens nach ein paar Blocks steht man wieder einer dieser riesigen Asphalt-Arterien gegenüber. Am Beispiel Seattle sieht man gut, in welche absurden Extreme das Leitbild der autogerechten Stadt getrieben werden kann. Seattle mag ihre Schokoladenseiten haben. Mir persönlich wird die Traffic Madness als prägende Erinnerung bleiben.

Tofino

Above Tofino

Wir überqueren auf windigen Straßen die Bergkette der Insel und steuern Tofino an. Einst ein Hippiedorf, ist der Ort heute eher kommerztouristisch. Der Vibe ist trotzdem noch zu spüren. Was die Hippies damals angelockt hat, ist leicht nachzuvollziehen. Traumhafte Surf-Strände, dichte Wälder, der Ozean, ausgefranste Buchten und viele kleine Inseln. In Tofino endet die Straße. Weiter geht es von dort aus nur noch per Boot oder Flugzeug.

Zu unserem Verdruss regnet es ganz furchtbar. Dabei wollte Janine genau hier ihren Traum von einem Wasserflugzeugflug wahr werden lassen. Die lokalen Piloten schütteln angesichts des Wetters mit dem Kopf. Schweren Herzens beschließen wir weiter zu fahren. Kurz vor der Abfahrt klart es überraschend etwas auf. Der Flug wird doch noch möglich. Ich stelle fest, dass unser Flugzeug dreißig Jahre alt ist. Dem Aussehen nach könnten es auch fünfzig sein. Und der Pilot kommt leicht stoned daher. Bevor sich Zuversicht und Vertrauen ganz verflüchtigen können, ist boarding angesagt.

Trotz tief hängender Wolken ist der Flug eindrucksvoll. Mit einer normalen Airline zu Fliegen ist schon etwas Besonderes. Für mich zumindest ist der Blick über die Wolken immer noch aufregend. In einem klitzekleinen Flieger in 100m Höhe über die Landschaft zu brausen, ist allerdings eine ganz andere Kategorie. Aus dieser Entfernung erkennt man noch alle Details. Die vereinzelten Häuser, die Fischerboote, die gemütlichen Seelöwen auf den Felsen. Noch aufregender wird es, wenn dann der Pilot mit einem tollkühnen Grinsen das Steuer des Flugzeugs einfach so an die eigene Freundin übergibt. Die, da bin ich mir sicher, hat in ihrem Leben nicht unbedingt viel Flugerfahrung gesammelt. Nun, es ist alles gut gegangen.

Insgesamt ist die Westküste der Insel ein schöner und gleichzeitig sehr rauer Ort. Die Landschaft erscheint von Wetter und Ozean tief gezeichnet. Zu denken, Vancouver läge am Pazifik erscheint mir fast töricht im Anblick der schroffen Felsen. Hier, wo der Wind so stark ist, dass Bäume im 45° Winkel wachsen, ist die wahre Pazifikküste.

View from the shores of Armour Lake, Vancouver Island

just backcountry things

Die nächste Etappe hat begonnen. Das vertraute Vancouver und unser Leben dort liegen nun hinter uns. Wir sind wieder unterwegs. Vor uns liegen etwa zwei Monate Autoreise. Erst die Westküste runter und dann irgendwie nach New York zum Rückflug. Alles Weitere wird sich dann ergeben. Die erste Station ist Vancouver Island. Über die Insel wurde uns immer wieder Gutes berichtet. Von Vancouver aus gesehen liegt die Insel im Sonnenuntergang. An klaren Tagen kann man der Sonne zusehen, wie sie in hübschen Farben hinter der Bergkette Vancouver Islands verschwindet. So ist es nicht verwunderlich, dass die Insel in unserer Vorstellung zu einem sagenhaften Ort wurde.

Da wir nun Autobesitzer sind und außerdem ein robustes Bett in unseren Minivan gezimmert haben, müssen die neuen Freiheiten auch unbedingt ausgekostet werden. Einfach fahren, wohin man möchte. Anhalten und bleiben können, wenn es besonders schön ist oder spät wird. Kein lästiges Hostelzimmer oder Couchsurfing organisieren müssen. Nach einer ersten Nacht auf einem wenig überzeugenden Campground beschließen wir ins Hinterland zu fahren. Im Internet war von einem See zu lesen. Abgelegen und wunderschön, mit freier Campingerlaubnis für jedermann. Was der Preis für abgelegene Schönheit ist, wurde nicht erwähnt.

Wir fahren auf einer logging road tief in den Wald. Die Piste, einst für Holzfäller angelegt, ähnelt nur entfernt einer Straße. Die Strecke ist unbefestigt und besticht durch badewannengroße Schlaglöcher und steile Hänge. Tapfer kämpft sich unser Minivan hinauf. Für neun Kilometer brauchen wir eine Stunde. Laufen wäre nicht viel langsamer gewesen. Gelohnt hat es sich dennoch. Am Ende des Tages haben wir den bezaubernden Armour Lake ganz für uns allein.

 

Bye Vancouver

Bye Vancouver

Auf Wiedersehen Vancouver! Unsere Zeit bei dir ist nun zu Ende. Es war spannend. Du hast so viele großartige Dinge zu bieten. Die wundervolle Natur um dich herum werden wir sicher vermissen. Genauso die ganzen Menschen aus den verschiedensten Kulturen, all ihre Eigenheiten, ihre Feste und ihre Küche. Das friedliche und ungemein höfliche Miteinander deiner Bewohner hat uns sehr gefallen. Vielen Dank dafür.

Aber es gibt auch Seiten an dir, die mögen wir nicht so sehr. Der unerbittliche Regen hat uns ganz schön zu schaffen gemacht. Das ist vielleicht unfair, denn für das Wetter kannst du nichts. Allerdings könntest du nun wirklich mal etwas gegen die hohen Preise und die niedrigen Löhne tun. Beim Public Transport musst du noch an dir arbeiten. Außerdem stimmt deine Dichte oft nicht. Es würde dir gut tun, nicht immer so schwarz-weiss zu denken. Es muss nicht alles Hochhaus oder Ein-Familien-Idyll sein. Zwischen diesen Extremen gibt es noch andere Möglichkeiten. Kannste dir zum Beispiel von Berlin abgucken. Zum Schluss noch eine Sache: Du bist wunderbar hübsch und sauber und sicher und ordentlich. Aber sei doch ab und zu mal etwas aufregender und wilder! Wir glauben, das würde dir gut bekommen.

Bitte lass den Kopf nicht hängen ob dieser Kritik. Du bist eine tolle Stadt. Wir bereuen es nicht, in dir gelebt zu haben. Doch jetzt ist es für uns Zeit, noch mehr vom Kontinent zu sehen. Mach’s gut Vancouver!

Sun Yat-Sen Garden

Sun Yat-Sen Garden

Mir bleibt noch etwas Zeit, einen weiteren besonderen Fleck Vancouvers vorzustellen: den Dr. Sun Yat-Sen Garden. Achtung, dieses Mal geht es viel um Landschaftsarchitektur! Ich sehe ein, dass das nicht jeder spannend findet. Gegebenenfalls weiterklicken…

Wir sind wieder in Chinatown. Ein trunkener Obdachloser brüllt seinem imaginären Freund auf der anderen Straßenseite mit raspelnder Stimme unverständliche Worte zu. Faltige chinesische Rentner werfen einem im Vorbeigehen misstrauische Blicke zu. Die teils renovierten, teils heruntergekommenen Gebäude sind untypisch eng zusammengerückt entlang der Bürgersteige. Irgendwo zwischen chinesischen Bäckereien, Ramsch-Läden, Dim Sum-Restaurants und verwahrlosten Hotels ist der Eingang zu dem schönsten chinesischen Garten, den ich kenne.

Tritt man durch das runde Portal in das Innere der hohen Mauern, verschwinden die Gestalten und Gerüche Chinatowns augenblicklich aus der eigenen Wahrnehmung und werden durch etwas nicht weniger Faszinierendes ersetzt. Obgleich der Garten in den Achtzigern gebaut wurde, ist er im klassischen Stil der Ming Dynastie gestaltet. Was das genau bedeutet, kann ich euch auch nicht sagen. Der Garten ist jedenfalls nicht alt, tut aber so. Erstaunlich ist, dass dieses vermeintlich “Alte” auf so meisterliche Weise geschaffen wurde. Gleich auf den ersten Eindruck scheint alles zu stimmen an diesem Ort. Die Proportionen, die Raumgrenzen, die Stimmung, es ist alles wohl durchdacht.

Bei einem Tee erklärt uns eine zierliche chinesische Studentin in schwer verständlichem Englisch die Gedanken hinter diesem und jenem Detail des Gartens. Das Grundkonzept ist, die Dinge in Balance zu halten. “Hohler” Bambus wird durch “dichte” Sandstein-Säulen ausgeglichen. Eine runde Tür zur einen Seite des Pavillons wird mit einer eckigen Tür zur anderen Seite ausbalanciert. Schroffe Felsen gegen weiche Blattwerk-Textur. Was andere Gäste langweilt, bereitet mir einen unerwartet spannenden Tag.

Doch die schmale Studentin bemerkt die gähnenden Gesichter und wechselt von Gestaltungs-Philosophie zu konkreten Konstruktionsweisen. Besonderer Ton am Grund des Teiches lässt das Wasser jadefarben schimmern. Die Dächer verfügen über sogenannte Drip-Tiles. Statt in einer Regenrinne gesammelt zu werden, tropft das Niederschlagswasser an bestimmten Stellen herunter. Die Tropfen fallen auf unterschiedliche Oberflächen und erzeugen eine Art Regenkonzert. Wie sich das anhört, weiß ich leider nicht. Wir waren an einem der wenigen regenfreien Tage in dem Garten. Dennoch, man muss es den Architekten lassen, dieses Idee ist wie geschaffen für Raincouver.

Um der Gruppe zum Abschluss noch das eine oder andere Lächeln zu entlocken, packt die zierliche junge Dame noch ein paar Fun Facts aus. Die Galerien sind deshalb nicht gerade und symmetrisch, sondern stets leicht geknickt, der Boden leicht an- oder absteigend, damit die bösen Geister nicht in den Garten gelangen. Chinesische Geister, wie ich jetzt weiß, haben keine Knochen und können daher nur geradeaus, nicht aber um Ecken gehen bzw. schweben. Dies ist anscheinend auch der Grund, warum in jedem traditionellen chinesischen Restaurant kurz hinter der Eingangstür eine Wand kommt, um die man herumgehen muss. Knochenlose Geister hin oder her, der Sun Yat-Sen Garden ist ein wundervoll durchdachter Ort mit überraschender Wirkung. Es ist fast so, als ob die meisterhaft ausbalancierte Umgebung die Besucher selbst in einen etwas ausgeglicheneren Gemütszustand versetzt.

Granville Island

Granville Island

Unsere letzten Tage in Vancouver brechen an. Dabei gibt es noch so viel von dieser Stadt, was ich gern mit Euch teilen würde. Eines davon ist Granville Island. Die kleine Insel scheint auf den ersten Blick nur zu existieren, um als Basis für Brückenpfeiler zu dienen. Die massive Granville-Bridge ist eine der wichtigsten Verkehrs-Arterien zwischen Downtown und dem Rest der Stadt. Dieser Umstand verleiht der Insel eine besondere urbane “Unter-der-Brücke”-Atmosphäre. In Filmen lässt die Mafia an solchen Orten  die Leichen ihrer Widersacher unauffällig ins Wasser gleiten. Zwischen Obdachlosen-Camps und zwielichtigen Autoschraubereien finden sich selten Zeugen für die kriminellen Machenschaften.

Das tatsächliche Granville Island sieht diesem Bild überhaupt nicht ähnlich. An dem einst unattraktiven Standort haben sich Künstler und Macher ungestört verwirklicht. Heute ist die Insel ein sehr sympathisches Gewimmel aus Ateliers und Werkstätten. Alte Hafenanlagen wurden in Theater verwandelt. Der Granville Island Public Market ist eine der schönsten Markthallen der Stadt. Man kann dort gleichermaßen Kunsthandwerk und Delikatessen shoppen. Hat man einen leckeren Snack erstanden und will ihn draußen mit Blick auf die Bucht genießen, muss man sich allerdings gegen gleich drei verschiedene Vogelarten verteidigen: Tauben, Krähen und Möwen.

In dem Durcheinander vom Künstlern und Shops finden sich auch eine Kunst-Uni, ein Betonmischwerk und eine (leider unterdurchschnittliche) Brauerei. Dieser Mix an Menschen und Funktionen macht Granville Island zu einem Ort, an dem Vancouver etwas weniger brav und etwas mehr aufregend ist.

The Rocky Mountians near Golden

The Rockies

Wir haben ein Auto. Yeah! Seit kurzem sind wir stolze Besitzer eines betagten silbergrauen Minivans. Das Automobil musste sich direkt auf einem sechstägigen Kurztrip beweisen. Meine Schwester war zu Besuch in Vancouver und wir nahmen uns zu dritt vor, noch etwas mehr von Kanada zu entdecken.

Zur Wahl standen die Berge oder das Meer. Die Rocky Mountains haben sich durchgesetzt. So verließen wir die Stadt gen Osten. Eine Stunde später lagen die schier endlosen Vororte Vancouvers hinter uns. Auch der Frühling blieb zurück, es wurde spürbar kälter. Mit großen Augen bestaunten wir die ersten Berge. Ohne Vorwarnung erhoben sich beinahe vertikale Felswände aus der flachen Ebene. Ein irritierter Blick auf die Karte verriet jedoch, dass diese Riesen noch zur Pazifik-Bergkette gehörten, also gar nicht die “richtigen” Berge waren. Neugierig und aufgeregt drängten wir weiter ostwärts.

In den folgenden Tagen passierte eine ganze Menge. Zu viel, um von allem zu berichten. Wir durchquerten staubtrockene Täler und fruchtbare Weinanbaugebiete. Wir fuhren über verschneite Pässe und schliefen in winzigen Örtchen, eingepfercht zwischen massiven Bergen. Wir wanderten über zugefrorene Seen, steuerten Hundeschlitten und applaudierten abends den Dorfbands im Pub.

Insgesamt war es ein wunderbares kleines Abenteuer. Die wenigen Tage haben gezeigt, wie viele großartige Momente Kanada noch zu bieten hat. Ein bisschen haben wir gezweifelt, an unserer Entscheidung im April und Mai hauptsächlich durch die USA zu reisen. Das Fazit zum Auto hingegen fiel eindeutiger aus: Es ist zwar schrottig, aber wahrscheinlich robust genug, um uns durch die nächsten zwei Monate zu bringen.

Main Street in Vancouver

March on Main Street

Es ist März! Hier scheint der Frühling etwas früher zu beginnen, als in Deutschland. Halb Vancouver ist rosa. Schon seit Ende Februar blühen die vielen Kirschbäume in den Straßen. Für uns brachte der Frühling sehr geschäftige Wochen. Deswegen gibt es heute ein Alltags-Bild. Das Foto zeigt unseren allmorgendlichen Ausblick. Ganz gleich, wo wir hin müssen, unser Weg führt als erstes zur Main Street. Die hat zwar keine Kirschbäume, aber an guten Tagen wird man mit dem Blick auf die Berge im Norden der Stadt belohnt.

Während es bei uns regnet, fällt dort oben Schnee. Der “Hausberg” der Stadt ist der Grouse Mountain. Er ist auch der Grund, warum es ganz normal ist, wenn im Bus jemand in kompletter Ski-Montur neben einem steht. In Vancouver bringen dich die Öffentlichen bis zum Skilift.  Nachts bietet sich auf der Main Street ein besonderer Anblick. Schaut man gen Norden, wundert man sich über dieses merkwürdig helle Sternbild. Einen Augenblick später erkennt man es mit einem Lächeln. Während der Berg schon im Dunkel der Nacht verschwunden ist, leuchten die Skipisten noch am Himmel.

Maple Flavored Yogurt

Canadians Eat…

Gebt mir ein A! Gebt mir ein Horn! Gebt mir ein Si! Gebt mir ein Rup! Was essen Kanadier am liebsten? A-HORN-SI-RUP. Okay okay, vielleicht übertreibe ich ein bisschen. Aber wenn man so durch einen kanadischen Supermarkt streift, findet man das gute Maple Sirup unerwartet in allerhand Lebensmitteln wieder.

So ein Streifzug durch einen örtlichen Supermarkt ist übrigens kein kleines Unterfangen. Ganz nach US-Vorbild sind die Geschäfte hier sehr großzügig dimensioniert. Wenn man dann nicht so genau weiß, wo welche Produkte stehen, kommen pro Einkauf schon einige Kilometer zusammen. Noch nicht mit eingerechnet: Das Überqueren des absurd gigantischen Parkplatzes vor dem Laden. Ohne Auto. Trotz ihrer übertriebenen Dimensionen, haben die Supermärkte hier viele tolle Dinge an sich. Doch dazu ein andermal mehr.

Ahornsirup kommt aus Kanada und wird dort gern zu Pancakes gegessen. Soweit das Klischee. Von der Realität ist das auch nicht all zu weit entfernt. Dass der zuckrige Saft auch mit jeder Menge anderer Lebensmittel kombiniert wird, überraschte mich trotzdem. Oft sind es Kombinationen, die intuitiv beurteilt nicht unbedingt ratsam erscheinen. Ahornsirup in Schoki und Keksen lässt sich nachvollziehen. Bei Joghurt oder Chips ist es schon so eine Sache. Doch es wird wilder. Bacon mit Ahorn, Hamburger mit Sirup. Und wer sich so richtig funky fühlt, trinkt Maple Flavored Mineralwasser. Die spinnen doch, die Kanadier.

A shop in the streets of Chinatown, Vancouver

Chinatown

Ich glaube, ich habe es schon erwähnt: In Vancouver gibt es viele Asiaten. Die meisten von ihnen sind Chinesen. Ich erwähnte auch, dass Silvester hier eine ziemlich müde Nummer war. Insgesamt zeigt die Stadt eine Tendenz, bei Festivitäten nicht unbedingt aus sich heraus zu kommen. Insbesondere die Chinesen machen selten den Eindruck von ausgelassenen Party-Freunden auf mich. Deswegen setze ich hohe Erwartungen an das chinesische Neujahr. Das Jahr des Affen beginnt am achten Februar. Es heißt, es sei für Chinesen das wichtigste Fest im Jahr. Die lokalen Supermärkte führen schon seit Wochen die zugehörige Deko. Es gibt jede Menge Gegenstände zu kaufen, die Glück und Wohlstand versprechen. Kleine Bambustürmchen und rote Papierlaternen. Dazu Geschenke wie Äpfel, in die freundliche Botschaften eingelasert sind. Nun, ich stelle mir jedenfalls vor, dass es freundliche Botschaften sind. Die Zeichen kann ich leider nicht lesen.

Chinesen haben eine längere Geschichte in Kanada. Erste größere Gruppen wurden als Billiglohnarbeiter im 19. Jahrhundert hergeholt, um Eisenbahn-Verbindungen durch das weite Land zu bauen. In den folgenden Jahrzehnten wurden die Chinesen von den übrigen Kanadiern leider sehr schlecht behandelt und mit verschiedensten Gesetzen schikaniert. So formten sich sehr enge und introvertierte Gemeinschaften, die sich auch räumlich stark konzentrierten. Deswegen ist es Touristen-Janine und Touristen-Philip heutzutage möglich, durch beeindruckende Chinatowns zu spazieren.

Mit großen Augen beobachten wir die geschäftigen Läden, voll uns unbekannter Zutaten. Die Gerüche sind ebenso sonderbar wie die Formen der, tja, sind es Gemüse? Obgleich sehr fremd, ist diese Kultur eine unglaubliche Bereicherung für die Stadt und für uns sowieso. Töricht ist derjenige, der nicht Neues ausprobiert, stimmt´s? Also kaufen wir ein Bund von grünem Etwas und biegen staunend in die nächste Straße ein.

Kitsilano Beach in Vancouver, BC

Busy January

Ja stimmt, die letzte Woche ist ausgefallen. Es liegt am Januar. Er ist einfach zu geschäftig. Überhaupt beginnt dieses neue Jahr mit ungnädig vielen Ereignissen und Aufgaben. Gegen das Doppelpack aus Job und Bachelor-Arbeit hat es ein Blog-Eintrag nicht leicht. Insbesondere, wenn sich hier und da eine fiese Erkältung dazwischen drängelt. Und dann war da ja auch noch der Geburtstag von jemand ganz Besonderem. Möglicherweise ist dieser Jemand im Bild zu sehen. (Kleiner Tipp: Es handelt sich nicht um Kitesurf-Kevin. Nein, Strandspaziergang-Steve ist es auch nicht.)

Um Euch für die verlorene Woche zu entschädigen, gibt es hier den Strand von Kitsilano in der Nachmittagssonne. Kitsilano, das ist ein wunderbar hübsches und ruhiges Viertel, perfekt gelegen zwischen Downtown und der Universität. Wenig Verkehr und jede Menge kleine Parks. In den ruhigen Straßen stehen Einfamilienhäuser und Villen. Das Meer ist nie weiter als ein paar Minuten zu Fuß entfernt. Hier hätten wir gern gewohnt, doch bei den Mietenpreisen schlackern einem die Ohren.

Ich möchte betonen, dass Ihr hier etwas sehr Seltenes zu Gesicht bekommt. Sonnentage sind rar in Vancouvers Winter! Wann immer möglich, sollte man sie draußen verbringen. Den Strand aufzusuchen, ist eine vorzügliche Idee. Baden kommt nicht in Frage, denn das Wasser ist furchtbar kalt. Das macht aber nichts. In der Sonne sitzen und aufs Meer schauen macht auch glücklich. “Rumsitzen? Rentnerkram!”, denkt sich Kevin vermutlich und stürzt sich mit Brett und Kite ins eisige Wasser. Wir für unseren Teil nutzen den frischen Pazifikwind, um uns den gestressten Kopf ordentlich durchpusten zu lassen.

Regenwald der Pazifikküste

Pacific Woods

Das hier ist etwas, das ich Euch schon länger zeigen möchte. Wenn man einen Ausflug in die Natur rund um Vancouver macht, findet man sich mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit in dieser Landschaft wieder: Die gemäßigten Regenwälder der Pazifikküste. In der Gegend, wo heute Vancouver liegt, muss es ungefähr so ausgesehen haben, bevor sich europäische Einwanderer entschieden, dort eine Stadt zu bauen.

Ich beschwere mich nicht, dieser Regenwald ist großartig. Er hat seine ganz eigene Atmosphäre. Ich denke, das liegt an den lokalen Arten hier. Die allermeisten Bäume sind Douglasien (für die landschaftlichen unter Euch: Pseudotsuga menziesii var. menziesii). Die Stämme schießen kerzengerade 60m gen Himmel, in Ausnahmen auch doppelt so hoch. Sie haben dabei kaum nennenswerte Äste bis zur schlanken Krone, die erst sehr weit oben beginnt. Dieser typische Wuchs muss es sein, der den Wald zwar dunkel aber trotzdem luftig macht. Es ist eine besondere Waldstimmung, die ich so zuvor nicht kannte.

Ab und zu begegnen einem auch Riesen-Lebensbäume (Thuja plicata) oder eine Hemlocktanne (Tsuga heterophylla), beide schaffen regelmäßig die 70m-Marke. Vervollständigt wird das Bild mit Farnen (Polystichum munitum) und jeder Menge umgestürtzter Bäume voll feuchtem Moos. Überhaupt ist alles feucht in diesen Wäldern, was vermutlich den charakteristischen Geruch hervorruft: Auf eine Art sehr intensiv pflanzlich aber gleichzeitig auch rein und frisch. Wir stapfen jedenfalls immer wieder freudig über den weichen Boden der Regenwälder von British Columbia, in diesem Fall in einem Ort namens Deep Cove.

Zum Abschluss noch ein kleiner Größenvergleich zum Nachdenken: British Columbia ist fast genau so groß wie Frankreich und Deutschland zusammen. Der Frankreich-Part entspricht dabei der mit Wald bedeckten Fläche.

Happy New Year 2016

Happy 2016

Ich glaube, ich hab´s schon erwähnt: Kanada ist eindrucksvoll. Leider lässt Vancouvers deprimierend hohe Anzahl an Regentagen uns nicht so oft losziehen und entdecken, wie wir gerne würden. Was ist also anzufangen, mit all den Regentagen? Eine Möglichkeit ist, zu entdecken, was die Stadt auf dem Teller zu bieten hat. Ahornsirup und Wildlachs, obwohl sehr lecker, reichen einfach nicht aus, um dem Land eine reiche kulinarische Kultur zu bescheren.

Zum Glück ist Kanada ein Einwanderungsland. Die Menschen aus allen Ecken der Welt brachten und bringen auch weiterhin ihre Küchentraditionen mit hierher. Wir sind ihnen sehr dankbar dafür. Hier freuen wir uns gerade, dass einige Mittelamerikaner sich entschieden haben, Kanadier zu werden. Verzeihung für die Kartoffelqualität des Bildes. Man kann ja nicht immer eine Kamera dabei haben. Ihr deutet das übrigens richtig, wir stoßen auf Euch an! Man sieht es zwar nicht, aber seid versichert, die hübsche Fotografin streckt ihr Glas auch in die Höhe. Wir wünschen Euch ein glückliches neues Jahr!

our merry Christmas-Turkey

Merry Turkey

Was tut man, wenn man sich an Weihnachten familienlos in einem fremden Land befindet? Richtig, man lädt zwei gute Freunde ein und schiebt einen möglichst großen Vogel in den Ofen. In unserem Fall bringen die lieben Gäste einen Truthahn mit, 6kg schüchtern. Turkey ist hier ein typisches Weihnachtsessen.

Obgleich keiner von uns Erfahrung in der Zubereitung solchen Geflügels hat, machen wir uns schon am frühen Nachmittag an die Arbeit. Abtrocknen, Gewürzmassage, Stopfen, usw. Es gilt so einiges vorzubereiten, damit beim Dinner auch etwas Essbares auf dem Tisch landet. Während der Vogel seinen ausgedehnten Ofenaufenthalt genießt, werkeln wir an dem Bread-Bacon-Stuffing und rühren eine Gravy an.

Wäre schon blöd, so viel Geld und Arbeit aufzuwenden, um dann sein Weihnachtsessen zu verbaseln, oder? Mit entsprechend schlotternden Knien öffnen wir fünf Stunden später den Ofen. Erleichterung, der Truthahn ist noch deutlich zu erkennen. Auf Youtube erklärt uns ein eleganter Mann, für die Küche viel zu fein angezogen, wie man so einen Turkey carved (sprich elegant auseinander schneidet). Beim Essen stellen wir dann fest: Success. Es hat tatsächlich alles hingehauen. Das Fleisch ist zart aber trotzdem saftig. In Gravy und Stuffing könnte man sich reinlegen. Wir stoßen an, mit unseren lieben Gästen und mit Euch in Gedanken. Auf ein wunderbares Weihnachten!

Glass Towers

Glass Towers

Eine kurze Vorweihnachtskritik

Genau so sehen große Teile von Downtown aus. Gläserne Türme mit 30 bis 40 Stockwerken. Von dort oben hat man zweifelsohne eine tolle Aussicht. Leider bleibt sie nur den besonders Reichen vorbehalten. Die lokalen Zeitungen sind übersäht mit Werbung für Luxus-Suites und Appartements in diesen Türmen. Die Anzeigen versprechen Dinge wie “This corner will be impossible to ignore.” Und dann wird es doch nur ein weiterer langweiliger Glasturm. Die Preise sind freilich absurd. Und doch kommt es nicht selten vor, dass alle Wohnungen bereits verkauft sind, bevor es auf der Baustelle losgeht. Und schon wird der nächste Turm geplant. Oft sind die Käufer nicht einmal Menschen, die in Vancouver leben, sondern reiche Asiaten, die nach einem guten Immobilieninvestment suchen.

Zugegeben, es ist ein besonderes Erlebnis durch die Straßenschluchten zu laufen. Ich selbst staune immer noch darüber, wie vertikal so ein Ort sein kann. Ich schreibe deshalb so unfreundlich über die gläsernen Türme, weil ich wirklich nicht überzeugt bin, dass Stadt so sein sollte. Tatsächlich ist nicht besonders viel städtisches an ihnen. Am Fuße der Türme finden sich meistens penibel gepflegte, aber sterile und leblose Außenanlagen. Der Luxus scheint jeden Anflug von Stadt-Atmosphäre abzutöten. Niemand hält sich hier auf. Die einzige Bewegung ist der stetige Fluss von Autos, hinein und heraus aus der hauseigenen Tiefgarage.

Im Glasturm-Stil Stadt zu produzieren, macht die Metropole höchst unfair. Ich habe den Eindruck, diese Art der Stadtproduktion, gefährdet das Großartige an Vancouver: Menschen, die von ganz verschiedenen Orten stammen und dennoch eine so erstaunlich friedliche und freundliche Kultur des Zusammenlebens pflegen. Die Glastürme sind eine der Ursachen, warum es für die unteren 90% der Gesellschaft so verflixt schwer ist, in Vancouver eine bezahlbare Wohnung zu finden. Fragt man im Alltag die ganz normalen Leute danach, wo sie wohnen, antworten sie meistens das gleiche: “Ganz weit draußen.” Stundenlanges Pendeln in überforderten Bahnen oder auf überfüllten Straßen scheint von vielen nicht mehr in Frage gestellt zu werden. Dabei müsste es nicht unbedingt so sein. Ich denke, Vancouver könnte das besser hinbekommen.

Whyteclyff Park

How to Park

Das kanadische Rezept für einen Park:

(Schwierigkeitsgrad: leicht)

  1. Man sucht sich einen Wald. Sehen Sie? Es ist einfaches Rezept. Wald. In Kanada…
  2. Als nächstes schlägt man ein paar Wege hindurch. Pflastersteine oder Stege sind was für Streber. Einfach nur das Pflanzenzeugs wegräumen. “Minimalinvasiv” sagt der faule Koch und klopft sich selbst auf die Schulter.
  3. Anschließend verstreut man einige Schilder. Nicht zu wenig, damit Besucher sich in dem “Park” (der Wildnis) nicht hoffnungslos verlaufen. Aber auch nicht zu viele. Es muss ja spannend bleiben. Die Gäste vor Bären, Wölfen oder Stinktieren zu warnen, ist optional.
  4. Ganz wichtig: Kein Park kommt ohne zugehörigen Parkplatz aus! Ein Verhältnis von 1:1 hat sich in der Praxis bestens bewährt.
  5. Abgerundet wird das Ganze durch eine Karte am Eingang, die zeigt, wo Aussichtspunkte vermutet werden. Und fertig ist der Park!

Ein Beispiel? Der Whytecliff Park an der Nordküste. Da waren wir letztens. Zugegeben, es ist ein besonderer Wald. Er hat riesige Bäume und ganz viele Farne, so richtig ursprünglich und urwaldig. Er sieht so aus, als ob es dort niemanden verwundern würde, einem Dinosaurier zu begegnen. Man muss tapfer und beharrlich wandern. Hat man mehrmals die richtigen Lücken in der Vegetation als Weg gedeutet, kann man es aus dem Wald heraus schaffen. Möglicherweise gelangt man zu einem Aussichtspunkt. Es offenbart sich eine rundgewaschene Felsenküste. Ein wunderbarer Ausblick. Man entdeckt kleine Inselchen, zu denen man bei Ebbe hinüberklettern kann. Und die Abendsonne macht alles noch hübscher. Man fühlt sich lila und zufrieden. Es scheint, an großartiger Natur muss nichts geändert werden. Der Park ist gelungen.

Vancouver Canucks

Go Canucks Go

Es war klar, dass dieser Eintrag bei einem Kanada-Blog früher oder später kommen musste, oder? Es ist der Nationalsport Nummer 1, es ist eines der ganz großen Kanada-Klischees, es ist fast eine Religion: Hockey. Man sagt hier übrigens nur “Hockey” und nicht Eishockey, wie bei uns. Das Spiel findet auf dem Eis statt, weiß doch jedes Kind. Wehe dem, der mit europäischem Leichtsinn einwirft, man könne Hockey ja auch auf anderen Oberflächen spielen. Für einen Kanadier ist das, als würde man Pferde und Nilpferde vergleichen.

Ein Freund, der für den lokalen Verein arbeitet, hatte uns Karten organisiert. So saßen wir mit in der Arena, als die Vancouver Canucks die New York Rangers empfingen. Ein unglaubliches Spektakel und eine großartige Erfahrung. Es war alles dabei. Ganz stolz die Nationalhymne singen. Spieler, die herzhaft gegen die Bande geklatscht werden. Blut auf dem Eis. Dazu die typischen Stadion-Orgel-Sounds. Verrücktes Halbzeit-Programm inklusive Dance-Cam. Und ein sehr, sehr spannendes letztes Drittel.

Die Rangers sind als relativ klare Favoriten in das Match gegangen. Das konnte man im Spiel gut nachvollziehen, sogar wir. Die New Yorker Jungs zirkelten mit sicheren Pässen um das Gastgeber-Tor, um dann ein ums andere Mal draufzuballern. Der Canucks-Torwart hielt irgendwie alles und erntete dafür jede Menge Applaus aus der Arena. Obwohl wir wie wild anfeuerten, kam der Rest von unserem Team nicht in die Puschen. Die Offense war schläfrig und verlor zuverlässig nach wenigen Sekunden den Puck.

Im letzten Drittel mussten dann 2 von 5 New Yorkern gleichzeitig zur Strafe für zwei Minuten auf die Bank. Wie genau es dazu kam, übersteigt unsere Einsicht in den Sport. In Überzahl erwachen die Canucks plötzlich aus ihrem Energiesparmodus und hämmern zwei Tore rein. Alle in der Arena rasten komplett aus. Wieder zu fünft machen die New Yorker mit ihrem Comeback-Tor die letzten Minuten noch zum Nervenkitzel. Aber es geht alles gut. Das schlechtere Team gewinnt. Völlig egal! Wir waren beim Hockey, Vancouver gewann, ein super Abend.

 

Craft Beer and Microbreweries

Craft & Micro

Es gibt ja eine ganze Reihe (Vor-)Urteile über amerikanisches Bier. Es habe kaum Geschmack. Es gleiche eher Wasser oder Limo, als echtem Bier. Bud Light und Konsorten. Es heißt, manche der “Biere” würden nicht einmal gebraut, sondern einfach nur zusammengemischt. Ob diese Dinge nun stimmen oder nicht, ich bereitete mich schon vor dem Abflug nach Kanada innerlich auf die Wahl zwischen schlechtem Bier oder ‘lieber doch nichts trinken’ vor.

Glücklicherweise stellten sich meine Sorgen als völlig unbegründet heraus. Im Laden gibt es neben den unheimlichen Light-Bieren noch diese anderen Flaschen. Die mit den unkonventionellen Etiketten. Diese Flaschen stammen meistens aus kleinen und Kleinstbrauereien, den “Microbreweries”. Dort scheinen Leute zu arbeiten, die keine Lust mehr haben, auf das langweilige Charakterlos Light. Diesen Menschen ist Geschmack und Braukunst (deswegen auch “Craft Beer”) wichtiger als Massentauglichkeit und Umsatz. Und das wiederum ist ganz wunderbar für mich. Ich bin mir recht sicher, über die kommenden Monate wird da schon das eine oder andere Bräu verkostet werden.

Black Friday Racoons

Black Friday

Der schwarze Freitag ist hier drüben der Tag nach dem (amerikanischen) Thanksgiving. An diesem Tag locken die Geschäfte mit besonders tollen Rabatten und Sonderaktionen. Daraufhin stürmen alle braven Konsumenten in die Läden und prügeln sich um runtergesetzte Fernseher, als wären sie das letzte Rettungsboot auf der Titanic. Kann man bei Youtube nachsehen.

Wie kommt es, dass die Leute all ihre Manieren so plötzlich vergessen? Meine Theorie: Es liegt an denjenigen Dingen, die den Truthahn vom Vortag so unnatürlich groß haben werden lassen. Vergangenen Freitag morgen, auf dem Weg in die Stadt, erwartete ich folglich Hangemenge von der schlimmsten Sorte. Die Vancouverer bestätigten meine Befürchtungen nicht. Gut, es waren merklich mehr Menschen in Downtown unterwegs, als sonst. Insgesamt ging jedoch alles sehr zivil vor sich. Möglicherweise, weil die Kanadier allgemein ein höflicheres Naturell haben. Oder aber weil das kanadische Thanksgiving schon etwa einen Monat her ist. Oho, clevere Theorie.

Ganz genau können wir es nicht sagen. Wir haben den Black Friday zum Nature Friday gemacht und sind den Großteil des Tages durch die Wälder der Nordküste gestapft. Spät abends zuhause angekommen, dringen eigenartige Geräusche aus dem Garten. Menschen sind also nicht die einzigen, die an diesem Tag auf “Shopping Tour” gehen.

Vancouver

Vancouver

Das ist sie also, unsere Stadt für die nächsten Monate. Wir nähern uns absichtlich aus der Ferne. Hochhäuser! Betrachtet man die Vancouver Skyline von hier aus, scheinen mir meine Manhattan-Assoziationen durchaus passend. Wenn man näher kommt, entschärft sich die Ähnlichkeit zu der amerikanischen Ikone etwas. Am Fuße der Hochhäuser aus der U-Bahn wieder an die Oberfläche zu kommen, beeindruckt mich trotzdem wie einen kleinen Jungen. Nur sind dann die Gebäude nicht ganz so hoch und die Atmosphäre nicht ganz so Weltmetropole. Es ist eben eher ein Mini-Manhattan. Zu Downtown aber vielleicht an anderer Stelle mehr.

Wir zoomen deshalb behutsam aus der Ferne rein, weil ich nur knapp meine ersten drei Eindrücke von der Stadt mit Euch teilen möchte:

  1. Asiaten. Unglaublich viele Asiaten!
  2. Unfassbar, wie freundlich alle Menschen hier sind.
  3. Ja, die Preise sind tatsächlich heftig.
Parade of the Lost Souls

Exquisite People

Wir sind in Vancouver angekommen. Aber dazu später mehr. Es war etwas wichtiges, es war Halloween. Nicht so ein müde von der Süßkram-Industrie angerührtes Halloween wie in Deutschland, sondern das Original! An der Vorfreude der Menschen und dem Einsatz bei den Vorbereitungen gemessen, steht Halloween hier auf der gleichen Stufe wie Weihnachten. Häuser werden schon Wochen vorher dekoriert. In Geschäften, Supermärkten, sogar in seriösen Einrichtungen wie Banken und Ärztehäusern begegnen einem überall kleine Totenköpfe, geschnitzte Kürbisse und jede Menge künstliche Spinnweben. Besonders enthusiastische Hausbesitzer haben schon mal eine funktionierende Guillotine im Vorgarten. Oder eine Vogelscheuche, der auf Knopfdruck Flammen aus dem Kürbiskopf schießen. Oder einen “Pop-up Butcher Shop” samt allen erdenklichen Körperteilen.

Am 31. selbst scheint das Süßigkeitensammeln der Kinder wie ein Nebenereignis. Alle verkleiden sich. Wirklich ALLE! Mich hat das sehr überrascht. Geht man am 31. in ein Restaurant, sitzen die Gäste in den skurrilsten Verkleidungen am Tisch und bekommen von dem Zombie-Kellner gerade das Dessert serviert. Man muss aber nicht unbedingt etwas gruseliges sein. Die Leute gehen auch als Captain America, als Ananas oder als sexy GoPro (!?). Des Nachts kommen dann die Feierfreudigen zu verschiedensten Events zusammen. Zu Konzerten, zu Feuerwerk oder zu der Parade of the Lost Souls vom Foto etwa.

To dress up like exquisite people; To play music, the most amazing music; To have lots and lots of fun.

lanse-saint-jean

Small Town Canada

Frühstück mit Meerblick und -duft. Dann biegen wir links ab. Da gibt´s einen anderen Fluss, dem wir hinterher fahren können. Der Saguenay ist deutlich schmaler. Man kann die andere Seite gut sehen. Die Ufer sind gesäumt von steilen Kliffen. Hat man es hochgeschafft, wird man großzügig mit Ausblicken belohnt. Wir können das persönlich bestätigen. Und wenn man so richtig Glück hat, kann man unten im Wasser sogar Wale sehen, die diese Gegend für ihre Sexytime aufsuchen. Das können wir leider nicht persönlich bestätigen.

Die prächtige Landschaft mal beiseite, hat etwas anderes einen besonderen Eindruck bei mir hinterlassen: Die kleinen Orte. Unzählige Male sind sie uns entlang der Straße begegnet. Zutaten: Zwei Hände voll Holzhäuser, eine Kirche, ein kleiner Laden und manchmal eine Tankstelle. Schlichte Pastelltöne und dicke Pickups. In den weissen Fensterrahmen warmes Licht. Und auf der Veranda ruht ein gemütliches Sofa. Es scheint mir, Hektik und Stress haben es in diesen Orten sehr schwer.